#062 Die Flucht
Brigitte Durner wird im April 1929 als einzige Tochter ihrer Eltern geboren. Die Mutter stamm von einem Gut in Westpreußen, der Vater kommt aus Thüringen. Brigittes Vater hat bereits im Ersten Weltkrieg mit Auszeichnung gekämpft, aber 1929 während der Weltwirtschaftskrise sein gesamtes Vermögen verloren. Brigitte wächst in Kamenz, in Sachsen, auf einem Rittergut auf, das die Familie landwirtschaftlich betreibt. Ein stattliches Gutshaus mit schönem Gelände und mit drei großen Karpfenteichen auf der Grünfläche. Ihr Bruder stirbt direkt nach der Geburt, weshalb Brigitte Einzelkind bleibt. Als die Pacht des Betriebes abgelaufen ist, geben die Eltern das Gut auf. Nach einem kurzen Umweg über Berlin, zieht die Familie nach Meißen, da der Vater dorthin versetzt wird. Im Herbst 1939 wird der Vater nach Budweis in die damalige Tschechoslowakei versetzt. Dort gibt es mehrere Staatgüter, dessen Verwaltung ihm übertragen wird. Das damalige Gebiet Böhmen und Mähren ist seit 15. März 1939 deutsches Protektorat. Nach dem Attentat auf Heydrich spitzt sich die Situation zu. Die Deutschen begehen Vergeltungsmaßnahmen und führen über 1000 Hinrichtungen durch. Brigittes Vater ist geschockt und mokiert das Benehmen der Deutschen. So könnt ihr nicht mit Menschen umgehen! Brigitte kommt zum Bund Deutscher Mädel und nimmt bei der Spierschar teil. Sie singt und spielt gerne. Die Mutter betrachtet die neue Leidenschaft der Tochter mit Argwohn. Als die Ostfront 1945 näherrückt, hören die Durners von den großen Flüchtlingsströmen aus dem Osten. Nach der Bombennacht über Dresden, die die Familie von der Entfernung miterlebt, will die Mutter nur eines: Weg von hier! Kurz bevor die Flucht losgehen soll, erkrankt Brigitte schwer an schwarzen Pocken. Nach Wochen kann sie erst wieder genesen. Der Vater bereitet alles für die Flucht vor, spannt die Pferde vor den Wagen und packt nur das Nötigste ein. Ihr Ziel: Haidl, ein kleiner Ort im Böhmerwald, in der Nähe von Böhmisch Eisenstein, eine Grenzstadt. Tieffliegerangriffe donnern auf den Flüchtlingstreck herab. Die Amerikaner beschießen den Ort mit Artillerie. Die Dunners wollen weiterziehen, doch amerikanische Soldaten versperren ihnen den Weg und sperren sie in einer Scheune ein. Angst kommt auf, dass sie in die Hände der Russen fallen und reden in gebrochenem Schulenglisch auf die GIs ein. Glücklicherweise lassen sich die Soldaten mit Alkohol bestechen, sodass sie die Grenze passieren dürfen. Die nächsten Jahre lebt die Familie sehr bescheiden in Bayrisch Eisenstein. Brigitte geht ins 1,5 Stunden entfernte Regensburg zur Schule. Dort wird sie als Flüchtlingskind gehänselt. Später findet Brigitte in Oberbayern eine neue Heimat. Die Erinnerungen an den krieg, die Flucht und die Nachkriegszeit werden sie bis an ihr Lebensende begleiten.
Interviewpartnerin in dieser Folge: Brigitte Durner
Buchtipp: Fort, nicht wie fort (Rosenheimer Verlagshaus)
Beginn des Interviews ab: 8 Minuten, 30 Sekunden
History Wissen: Bayrisch Eisenstein ab 1 Stunde, 7 Minuten
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